Der Tagesspiegel, 02.06.2001:
"Bundesländer können nicht Pleite gehen - auch wenn sie noch so verschuldet sind.
Ein großes Glück für finanzschwache Ministaaten wie Berlin. Oder Bremen.(...)
Der Stadtstaat an der Weser sitzt zur Zeit auf einem Schuldenberg von 16,3 Milliarden Mark, bei einem Jahreshaushalt von weniger als der Hälfte. Die Relation ist in Berlin ähnlich: 40 Milliarden Mark Haushalt, 80 Milliarden Mark Schulden.Dass die Hansestadt trotzdem keinen Insolvenzantrag stellen muss und immer wieder Kreditgeber findet, hat sie - wie manch anderes verarmtes Bundesland - dem deutschen Föderalismus zu verdanken: Bund und Länder gelten als Solidargemeinschaft, bei der einer für den anderen einstehen muss. Bremen hat sich das zweimal vom Bundesverfassungsgericht bestätigen lassen."
Lexikon: Haushaltsnotlage:
"Anfang der 90er Jahre waren die Bundesländer Bremen und Saarland
so stark überschuldet, dass sie jede vierte Steuermark für Zinsen ausgeben mussten.
Sie zogen 1992 vor das Bundesverfassungsgericht und verlangten über den
normalen Finanzausgleich hinaus zusätzliche Hilfen vom Bund. Am 27. Mai 1992 hat
das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil (BVerfGE 86, 148) zum Finanzausgleich
den beiden Ländern Recht gegeben. Nach diesem Urteil sind die Glieder der bundesstaatlichen
Gemeinschaft verpflichtet, Länder in einer extremen Haushaltsnotlage mit
dem Ziel einer haushaltswirtschaftlichen Stabilisierung zu unterstützen. Bremen
und das Saarland erhalten seit 1994 Sonder-Bundesergänzungszuweisungen zur Haushaltssanierung.
Allein im Zeitraum von 1999 bis 2004 erhält Bremen 7,7 Milliarden Mark, das Saarland
5 Milliarden Mark. Dieser Betrag muss zur Schuldentilgung verwendet werden. Die
Empfängerländer müssen im Gegenzug Sanierungspläne aufstellen, in denen die schrittweise
Beseitigung der Haushaltsnotlage aufgeführt ist. Um den Status einer Haushaltsnotlage
zu erreichen, müssen folgende Kriterien erfüllt sein:
1. Der Anteil der öffentlichen Ausgaben, die über Kredite finanziert werden
(Kreditfinanzierungsquote) muss doppelt so hoch sein wie im Bundesdurchschnitt.
2. Der Anteil, den die Zinszahlungen für diese Kredite an den Steuereinnahmen
ausmachen (Zinssteuerquote) muss "weit über dem Durchschnitt der Bundesländer"
liegen. Sie ist deshalb ein wichtiges Kriterium, weil sich an ihr ableiten lässt,
ob es einem Bundesland prinzipiell gelingen kann, aus eigener Kraft zu einer konsolidierten
Haushaltslage zu gelangen.
Das in extreme Finanznot geratene Bundesland Berlin erfüllt beide Kriterien, wird
jedoch derzeit noch nicht als Haushaltsnotlage-Land bezeichnet. Die Kreditfinanzierungsquote
(erstes Kriterium) liegt bei 9,3 Prozent. Jede elfte Mark, die Senat und Bezirke
ausgeben, wird damit "auf Pump" bezahlt. Die Quote ist mehr als dreimal so hoch
wie im Durchschnitt der Länder und Gemeinden und auch deutlich höher als in Bremen
und Saarland. Die Zinssteuerquote (zweites Kriterium) beträgt derzeit 22,7 Prozent.
Damit geht fast jede vierte Mark, die der Staat an Steuereinnahmen bekommt, zur
Zahlung der Zinsen. Diese Quote ist mehr als doppelt so hoch wie im Länderdurchschnitt
und liegt nur knapp unter der von Bremen.
Als wichtiger Indikator für die Finanznöte einer Stadt wird häufig ein drittes
Kriterium untersucht, der Schuldenstand pro Einwohner. Das Bundesverfassungsgericht
hat dieses Kriterium jedoch nicht aufgeführt. Im Jahr 2000 kamen auf jeden Berliner
19 430 Mark Schulen, bis Ende 2004 soll dieser Betrag auf 23 020 Mark ansteigen
und damit knapp an den Wert Bremens heranreichen (24120 Mark). Bereits über den
Länderfinanzausgleich und in Form von Bundesergänzungszuweisungen erhält Berlin
über 10 Milliarden Mark jährlich."